Mehr als Gehen – den Fokus nicht verlieren

Die Zeit- und Aufmerksamkeitstechnik Multitasking stellt keinen zivilisatorischen Fortschritt dar.
(Byung-Chul Han)

Wir machen permanent Dinge gleichzeitig. „Multitasking“ ist das Gebot der Zeit. Meist handelt es sich um ganz alltägliche Dinge: Zeitunglesen beim Frühstücken, ein Telefonat führen und gleichzeitig Möhren schneiden, das Radio läuft beim Papiere abheften. Manche Dinge fallen uns schwer, wenn wir sie gleichzeitig tun sollen: einer Besprechung folgen und gleichzeitig Emails schreiben. Und anderes ist sehr gefährlich: Autofahren und auf dem Handy tippen zum Beispiel.

Doch was macht das unserem Geist und unserem Körper, wenn wir permanent die Aufmerksamkeit auf verschiedene Fokusse lenken müssen? Wir möchten Sie einladen, sich das bei einer ihrer nächsten Wanderungen bewusst zu erleben.


Übung: Aufmerksamkeit teilen – Überforderung erkennen

Wir beginnen damit, uns auf das Gehen zu konzentrieren. Spüren Sie die Bewegung und den Kontakt mit dem Boden. Nach etwa drei Minuten nehmen Sie einen weiteren Fokus dazu: den Atem. Konzentrieren Sie sich auf das Gehen und auf Ihre Atmung. Wahrscheinlich wechseln Sie rasch zwischen den beiden hin und her.

Nach weiteren drei Minuten kommt der dritte Fokus dazu, zum Beispiel Geräusche. Versuchen Sie in den nächsten drei Minuten alle drei Dinge wahrzunehmen – das Gehen, Ihren Atem und die Geräusche um Sie herum.

Natürlich sind auch andere Kombinationen denkbar: „Gehen – Riechen – Geräusche“ oder „Hören – Riechen – Sehen“ oder Geräusche – Riechen – Atmen usw. Um eine Überforderung zu vermeiden, belassen wir es bei drei verschiedenen Fokussen.

Überlegen Sie: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich beim Gehen noch auf andere Dinge konzentrieren sollen? Wann schweifen Sie ab? Wo beginnt die Überforderung?

Die Erfahrungen mit dieser Übung sind ganz unterschiedlich. Einige haben schon mit einem Fokus die größten Schwierigkeiten, für manche wird es erst beim dritten anstrengend. mit dreien. Wichtig ist vor allem, die Übung entspannt anzugehen. Strengen Sie sich nicht an dabei! Wenn Sie merken, dass sie den Fokus verlieren, dann reduzieren Sie ihre Aufmerksamkeit auf nur ein Sache oder maximal zwei.

(aus „Achtsamkeit in der Natur“ von M. Huppertz & V. Schatanek)


Fokus

In der Stille
fokussiert sich Zeit
auf den Moment
in dem man innehält
Atem holt
der Blick nach innen geht
Gesten langsam werden
Banales Wichtigkeit erlangt
Wichtiges überdacht wird
Vögel zu hören sind
das Knacken der Äste im Wald
das Wiegen der Grashalme im Wind
geheimnisvolles Geknistere
Geknattere
Geschnattere
bis der nächste Jet
die Stille zerreißt
mit den Geräuschen
der Schnellebigkeit.
(Brigitta Firmenich)